Er ist groß, er ist stark und er ist entmannt. Zelko Wieners 1992 entstandener „Bodybuilder“ trägt sein Geschlecht in einem Fernseher neben sich her. Der Großbilddruck ist nebst einer Vielzahl anderer Werke noch bis Oktober im MUSA zu bewundern. Skandal wird er dort mit ziemlicher Sicherheit keinen mehr erregen. Anders sah die Lage noch in den 90ern aus, als der seines Geschlechts Beraubte nicht am Klagenfurter Uhrturm gezeigt werden durfte. Die Folge der damaligen politischen Proteste: übergroße Abbildungen in diversen Zeitungen. Eine Geschichte erzählt von Ex-Künstlerkollegin Ursula Hentschläger, aus den Nähkästchen, das sich Leben nennt. Hentschläger hat sich gemeinsam mit Kuratorin Fina Esslinger dem Nachlass des 2006 überraschend gestorbenen Medienkünstlers angenommen. Laut Musa Direktor Berthold Ecker keine leichte Aufgabe. Was ist Skizze? Was ist Vorstufe? Was ist nur eine Variante? Medienkunst sei schwer aufzuarbeiten und verlange absolutes Spezialistentum.
Am Puls der Zeit
Dieses hat man offensichtlich für die erste Personale nach dem Tod des Künstlers in den beiden Kuratorinnen gefunden. Hentschläger selbst kann auf langjährige Partnerschaft mit Wiener zurückblicken. Ab 1999 arbeiteten sie gemeinsam an dem Projekt „Zeitgenossen“, eine interaktive Arbeit, die für das World Wide Web realisiert wurde (und noch heute unter www.zeitgenossen.com abzurufen ist). Ein Teil des Kunstprojekts ist in der Ausstellung zu erkunden. In zwei dem Künstler gewidmeten Ausstellungsräumen befinden sich ein bis zwei Hauptwerke aus jeder wichtigen Entwicklungsphase des Künstlers. Bewusst wollte man die Schau nicht überborden, so Esslinger. Es gehe vielmehr darum „zu inspirieren als zu informieren“. Das macht es allerdings mitunter schwer in das künstlerische Schaffen des vielseitig agierenden Künstlers einzutauchen. Vieles wird hier nur angerissen. Vergleichsweise viel und doch zu wenig Platz gibt es für Wieners frühe „digitale Fotografie“, die locker einen Raum alleine hätte füllen können. Auch diese löste einst ob ihrer stark physischen Präsenz Kontroversen aus.
Wiener verwendete dafür Stills aus Fernsehbildern, die er digital bearbeitete und sie als großformatige Tafelbilder druckte. Wie viele seiner Kollegen kam Wiener ursprünglich von der bildenden Kunst und das großformatig Gedruckte wurde zu einem seiner Markenzeichen. Als Künstler erzeugte er Großdrucke, in einer Zeit, als es die technischen Möglichkeiten dafür eigentlich noch nicht gab. Er behalf sich, indem er in Bahnen druckte, welche er später zu Bildern zusammensetzte. Zum Vorreiter wurde Wiener auch in punkto Online-Magazin. Als das World Wide Web noch sanft in diversen Universitätsräumen dahinschlummerte, schuf der manisch arbeitende Grenzgänger bereits sein eigenes Magazin. Er nutzte dafür den btx Dienst der Post, dem er pionierhaft grafische Visualität abrang.
Trotz Wieners Auslotung der Grenzen der Techniken seiner Zeit, stand jedoch immer der Mensch im Mittelpunkt seines Schaffens. Gemeinsam mit der von ihm mitgegründeten Künstlergruppe BLIX nahm er mittels Funk in einem „Telefonkonzert“ Kontakt mit ihm hinter dem Eisernen Vorhang auf. In seiner für den Flughafen Wien realisierten Arbeit „(a)way“ geht dieser seinen Weg durch den digitalen Raum. Die Grenzen zwischen Realität und künstlicher Umgebung sind verschwommen. Exemplarisch für Wieners Arbeiten ist auch seine stetige Auseinandersetzung mit dem männlichen Geschlecht. „Wiener war ein emanzipierter Mann, bemüht das eigene Geschlecht zu hinterfragen als das andere abzubilden“, erinnert sich Hentschläger. Der in den Medien durch diverse Actionfilme überhöhte Mann wird dem realen nicht mehr gerecht. Er hat seine Männlichkeit an das Fernsehen verloren.
Zelko Wiener. Zwischen 0 und 1
Noch bis 1. Oktober 2016
MUSA Museum Startgalerie Artothek
Felderstraße 6-8, 1010 Wien
Tel.: +43 1 4000-8400
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr, Sa 11-16 Uhr, So, Mo und Feiertage geschlossen
Eintritt frei
http://www.musa.at/
@Fotos: MUSA
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